Gravitationswellen zu erfassen ist ein komplexes Unterfangen, denn die Interaktion der Schwerkraft ist die schwächste des Universums. Die heutigen Gravitationswellendetektoren haben hochmoderne und häufig innovative technologische Lösungen erfordert. Dies wird umso mehr für die Verwirklichung eines Pionierprojekts wie das Einstein-Teleskop zutreffen. Die Technologien, die für ET geplant und entwickelt werden, müssen die Leistungen des Detektors im Vergleich zu den aktuellen Instrumenten der zweiten Generation um mindestens eine Größenordnung verbessern, um es ET zu gestatten, ein im Vergleich zu dem, was wir heute beobachten können, tausend Mal größeres Volumen des Universums zu beobachten. Dieses Ergebnis kann erreicht werden, indem eine Reihe von technologischen Herausforderungen erfolgreich gemeistert werden, die von der Welt der Wissenschaft und der Welt der Unternehmen gemeinsam in Angriff genommen werden müssen, und die, wie uns Geschichte und Erfahrung lehren, erhebliche, teils unvorhergesehene, Auswirkungen sowohl in der Industrieumgebung als auch in verschiedenen Bereichen zum Vorteil der Gesellschaft nach sich ziehen werden. ET wird einen echten Industriezweig der Innovation in zahlreichen Sektoren schaffen.
Innovation und Industrien
Infrastrukturen
ET ist eine Infrastruktur innovativer Forschung, doch auch eine große gesellschaftliche Infrastruktur, man denke nur an die Ausführung der Aushubarbeiten, der unterirdischen Tunnel, der unterirdischen Versuchsräume und der oberirdischen Laboratorien. Alle diese Infrastrukturen werden in einer einzigartigen natürlichen und zu schützenden Umgebung eingerichtet, an die sie sich daher anpassen müssen. Die Aspekte der ökologischen, territorialen und energetischen Nachhaltigkeit haben Vorrang und stellen ein Element von inhärentem Wert für das gesamte ET-Projekt dar, das Anreize für Entwicklung und Nachahmung in anderen Gebieten bieten wird.
Mechanik
ET ist ein großes Präzisionsexperiment, bei dem die Mechanik eine entscheidende Rolle spielt. Das seismische Isolationssystems von ET basiert zum Beispiel auf der mit dem Detektor VIRGO gesammelten Erfahrung. Es wird sich um ein gemischtes passives und aktives System handeln, bei dem die mechanischen Eigenschaften der Komponenten und die Fähigkeit der aktiven Steuerung eine grundlegende Rolle spielen werden. Beim Einstein-Teleskop wird sich der Bedarf an mechanischen Komponenten im Vergleich zu VIRGO vervielfachen, mit erwarteten Kosten allein für die Aufhängungen von ca. 52 Millionen Euro.
Vakuum und Kryotechnik
ET wird das größte Vakuumsystem Europas sein. Eine große Menge Stahl und eine Reihe von technologischen Innovationen werden für die Herstellung seiner Vakuumröhren erforderlich sein. Es werden Pumpsysteme mit geringer Geräuschbildung und ohne jegliche Kontamination eingerichtet werden. Spezielle Kryotechnikanlagen werden erforderlich sein, um die optischen Elemente auf 10 Grad Kelvin (-263,15 °C) herunterzukühlen, ohne Schwingungsrauschen oder Kontamination zu verursachen. Die für diese Anlagen vorgesehenen Kosten belaufen sich auf mehrere hundert Millionen Euro.
Optik und Photonik
Bei der dreieckigen Konfiguration setzt sich das Einstein-Teleskop aus sechs Interferometern zusammen. Diese werden sowohl im Vergleich zu den heutigen verbesserte Technologien implementieren, zum Beispiel optische Elemente aus geschmolzenem Quarzgut, Beschichtungen mit hoher Reflektivität, geringer optischer Absorption und geringem thermomechanischen Verlust, als auch vollkommen neue Technologien wie kristalline optische Elemente, kristalline Beschichtungen und Laser mit unterschiedlichen Wellenlängen. Es wird notwendig sein, Sensoren und elektro-optische Stellantriebe mit extrem geringen optischen Verlusten zu entwickeln, um Lösungen der Quantenoptik zu implementieren. Weiter wird es erforderlich sein, Techniken adaptiver Optik zu entwickeln, um optische Abweichungen durch die großen beteiligten Energien zu korrigieren. Schließlich wird es erforderlich sein, Techniken der optischen Simulation zu entwickeln, die in der Lage sind, die Verhaltensweisen dieser komplexen Maschinen wiederzugeben und anzupassen. Die Nachfrage an optischen High-Tech-Komponenten wird von großer Bedeutung sein und die erwarteten Kosten für das gesamte optische Segment von ET belaufen sich auf ca. 157 Millionen Euro.
Elektronik und Robotik
Das Einstein-Teleskop wird nicht nur für die Interferometer, sondern auch für die gesamte Steuerung der 30 km Tunnel und der umgebenden Bereiche Datenerfassungssysteme benötigen. Die Daten müssen von den unterschiedlichsten Sensoren erhoben, von verteilten KI-Systemen verarbeitet werden und aus von an die entsprechenden Stellantriebe versandten Befehlen hervorgehen. Die gesamte Kontroll- und Automationskette muss zur Verfügung gestellt werden, die spezifische Anforderungen haben wird, von der Versorgung über die Prozessoren und die damit verbundene analoge und digitale Elektronik bis zu den Leiterplatten. Außerdem werden die heute in starker Entwicklung befindlichen Sektoren der Optoelektronik und des Internets der Dinge wie selbstverständlich einen Einsatz in den Infrastrukturen von ET finden, mit Systemen, die gemäß den modernsten Softwaretechnologien programmiert werden müssen. Steuerungssysteme mit spezialisierten Robotern, die in der Lage sind, die empfindlichen Komponenten des Instruments zu handhaben, werden von wesentlicher Bedeutung sein. Der Einsatz der Robotertechnik kommt seit kurzem in der Welt der Gravitationswellen-Detektoren zum Tragen und ET stellt eine Gelegenheit zur Entwicklung bei dieser neuen Kombination dar.
Informations- und Kommunikationstechnologie
Die Verarbeitung der von ET erhobenen Daten wird modernste Rechensysteme erfordern. Es ist die Übertragung in Echtzeit eines ständigen Datenflusses an die in Italien, Europa und auch an anderen Orte der Welt liegenden Rechenzentren vorgesehen. Der Standort, der die Infrastruktur von ET beherbergen wird, wird der Ausgangspunkt und die erste Verwaltungsstelle dieser großen Datenmenge sein. Im Fall von Sardinien kann dies auch dank der Potenzierung des Forschungsnetzwerks GARR verwirklicht werden, das im Rahmen des ARP-Projekts TeRABIT vorgesehen ist, bei dem Italien die erste Anlaufstelle in Europa sein wird, und wird nicht nur zur Datenübertragung, sondern auch zur Datenübermittlung beitragen. Nationale Forschungsinstitute und Universitäten arbeiten an der Entwicklung von innovativen Lösungen zur hochleistungsfähigen wissenschaftlichen Berechnung: Es handelt sich um die Fortsetzung einer langen Tradition, die dazu beigetragen hat, in Italien große Forschungszentren zur Berechnung einzurichten, zum Beispiel den Supercomputer Leonardo des Konsortiums Cineca und das gerade erst entstandene Forschungszentrum für High Performance Computing, Big data und Quantum computing ICSC in Bologna, das im Rahmen des ARP finanziert wird. Das Vorhandensein einer Kultur der Innovation in der Berechnung durch die Notwendigkeiten von ET stellt einen Vorteil für die Unternehmen dar, die über die von den anspruchsvollsten Kunden für gut befundenen fortschrittlichsten Lösungen verfügen können. Diese Notwendigkeiten werden auch einen Kanal mit High-Tech-Inhalten schaffen können, der auch in den Industriezweigen der traditionelleren Sektoren zur Innovation beitragen können wird.
Bannerbild: Eines der Spiegel von Virgo. Credits: INFN-EGO